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Soltis Ring: Jenseits der Norm

20.09.2002
Der “Ring” ist die Kür jedes Dirigenten. Richard Wagners gewaltiges Musikdrama stellt vom zeitlichen Ausmaß bis zur Feindifferenzierung der Dynamik Ansprüche, die man nur mit langer Erfahrung einzulösen vermag. Sir George Solti war 46 Jahre alt, als er sich 1958 mit den Wiener Philharmonikern vor die Mikrofone stellte, um mit “Das Rheingold” seinen “Ring”-Zyklus zu beginnen. Es wurde eine legendäre Einspielung, die erste Studio-Stereo-Aufnahme überhaupt, die von der Opern-Tetralogie gewagt wurde.
Anlässlich seines 80. Geburtstages erinnerte sich Sir Georg Solti an eines der größten musikalischen Abenteuer, auf das er sich während seiner Dirigenten-Laufbahn eingelassen hatte: "Die vollständige Aufzeichnung von Wagners “Ring”, die im September 1958 in Angriff genommen wurde, war ein bedeutender Schritt für mich. Obwohl wir alle große Hoffnungen auf dieses Projekt setzten, war niemand auf den Errfolg gefasst, den wir damit erreichen sollten. Ganz abgesehen von den künstlerischen Meriten des Zyklus übertraf die herrlichen Klangqualität, die wir erzielten, alle Erwartungen, und die Aufnahmen haben seither erheblich von der Technik der digitalen Überspielung profitiert. Das Aufkommen der Stereophonie bedeutete für die Einspielung von Opern einen technischen Durchbruch von großer Tragweite.
 
Selbst heute, rund dreißig Jahre später, weist der Zyklus kaum technische Mängel auf. Was anfangs als isoliertes technisches Experiment angesehen wurde (um die dramatischen Möglichkeiten der Stereophonie zu demonstrieren) erwies sich als das größte Aufnahmeprojekt, das jemals unternommen wurde. Der “Ring” wurde im Wiener Sophiensaal aufgezeichnet, und der Zyklus (von über vierzig Stunden Länge) brauchte bis zur Vollendung mehr als sieben Jahre. Als wir schließlich im November 1965 damit fertig waren, hatten wir Wagner ein ganz neues Publikum zugeführt, und der Zyklus war ein größerer Verkaufsschlager, als man es je für möglich gehalten hätte. Der Erfolg des “Rings” erlaubte es mir, weitere Triumphe folgen zu lassen, und er war außerdem der Beginn einer großartigen Verbindung zu den Wiener Philharmonikern".
 
Das Abenteuer der Aufnahme bestand allerdings nicht nur darin, ein komplexes Werk mit den größten Sängern der damaligen Klassikwelt von Birgit Nielsen bis Hans Hotter zu koordinieren. Es war darüber hinaus eine Pioniertat, denn niemand hatte die Erfahrung, wie man ein szenisches Geschehen möglichst wirkungsvoll mit den Möglichkeiten der Stereophonie festhalten konnte. Es wurde daher mit Mikrofonaufstellungen experimentiert. Räume mussten akustisch abgebildet werden. Die Werktreue wiederum erforderte eigens angefertigte Instrumente wie etwa die Stierhörner für Hagens Aufruf an die Mannen im 2.Akt der “Götterdämmerung”. Da sowohl Solti als auch sein Tontechniker John Culshaw möglichst authentisch Wagner nahe kommen wollten, wurden keine Mühen gescheut, etwa Ambosse auf die (Hör)Bühne zu hieven oder Drachen zu simulieren. All das zusammen machte aus dem Kraftakt der Künstler und des Decca-Teams nicht nur die erste komplette Aufnahme des “Rings”, sondern den Maßstab für alle folgenden Projekte.
Die Referenz: “Bei diesem Solti-'Ring' handelt es sich um eine musikalische Sternstunde des Jahrhunderts. Ein Glücksfall nicht nur die Hochform, die unheimliche Konzentration, die Nuancierungskunst des Dirigenten, der einerseits so enorme Spannung aufbaut und andererseits so zarte Lyrik ausbreitet,…daß man immer nur denken kann: es geht nicht besser(stereo 8/83)”.
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