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Ehrensache

30.04.2004
Als Wolfgang Amadeus Mozart am 5. Dezember 1791 starb, krähte kein Hahn mehr nach ihm. Er war aus der Mode gekommen, in Ungnade gefallen und wurde im Armengrab verscharrt. Zwei Jahrhunderte später jedoch ist dieses Datum ein Anlass zu einem Gipfeltreffen der Musikkultur. Im Wiener Stephans-Dom wurde eine Totenmesse zelebriert und mit Mozarts eigenem Requiem geschmückt. Am Pult stand Sir Georg Solti, Solisten waren unter anderem Cecilia Bartoli und René Pape. Ein großer Moment, der nun auf DVD in remastertem 5.1 Surround-Sound ein besonderes Klang- und Bilderlebnis verspricht.
Um das “Requiem” sind im Laufe der Jahre viele Geschichten entstanden. Die einen erzählen von einem maskierten Boten, der den Auftrag dafür gegeben habe, die anderen von Mozarts Paranoia, der ernsthaft befürchtet haben soll, vergiftet zu werden. Die Forschung hat inzwischen einige Geheimnisse entzaubert und das Werk ins richtige Licht gesetzt. Ursprünglich sollte das “Requiem” eine musikalische Würdigung der jung verstorbenen Ehefrau des exzentrischen Grafen Franz von Walsegg-Stuppach werden, der es 1791 in Auftrag gegeben hatte. Tatsächlich aber wurde es zu Mozarts eigenem, tragischem Abgesang. Denn im Laufe des Jahres verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Erschöpft, vom Gelenkrheumatismus geplagt, fand sich der verarmte Komponist im Spätherbst auf dem Krankenlager wieder. Die Hälfte des “Requiems” hatte er noch eigenhändig niederschreiben können, den Rest skizzierte er zusammen mit seinem Assistenten Franz Xaver Süßmayr. In der Nacht zum 5.Dezember 1791 starb Mozart, ohne das Werk eigenhändig vervollständigt zu haben. Süßmayr führte es nach den Angaben des Komponisten zuende, so dass Walsegg es am 14.Dezember 1793 unter seinem Namen uraufführen konnte. Erst Jahrzehnte später wurde das “Requiem in d-Moll KV 626” tatsächlich eindeutig Mozart zugeordnet.
 
Bis heute ist es ein gewaltiges, formal strenges Werk, das durch seine Aura fasziniert. Die Jubiläumsaufführung anlässlich Mozarts 200.Todestag im Rahmen einer Messe im Wiener Stephans-Dom bringt diese Besonderheit deutlich zu Vorschein. Denn Sir Georg Solti entlockt den Wiener Philharmonikern und der Konzertvereinigung des Wiener Staatsopernchores eine Kraft und interpretatorische Bandbreite, die von zartesten Geigenfiguren bis zu dynamisch gewaltigen Chorpassagen reicht. Als Solisten standen ihm Arleen Auger, Cecilia Bartoli, Vinson Cole und René Pape zur Seite und ließen sich von ihm mit väterlicher Strenge durch das Programm führen. Überhaupt hat die ursprünglich vom ORF mit intelligent unspektakulärer Kameraführung aufgenommene DVD ihre besonderen Qualitäten. Solti wird über die Schulter geblickt, aus der Perspektive eines interessierten Schülers, der nicht nur die Ausstrahlung der Musik, sondern auch das Charisma eines der größten Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts genießen will. Wie er mit kleinsten Bewegungen, ja einer gehobenen Augenbraue gar die Musik zu lenken vermag, ist beeindruckend und macht die Autorität deutlich, die Solti zu verkörpern vermochte. Eingebunden in den Gottesdienst, aber auch unabhängig davon als reine “Requiem”-Aufführung ist diese DVD ein Zeitdokument mit hohem ästhetischen Wert, das noch durch eine Film-Dokumentation über die Entstehung des Werkes ergänzt wird.
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