Tenöre treten häufig zu dritt auf. Besonders dann, wenn sie richtig erfolgreich sind. Einer schafft das aber auch ganz alleine: Andrea Bocelli.
Romantik ist seine Spezialität. Wo sich Menschen näherkommen, wo Gefühle die Regie des Lebens übernehmen, dort ist Andrea Bocelli in seinem Element. Noch nie in unserem Jahrhundert hat ein Tenor weltweit so viele Menschen zu faszinieren vermocht. Und noch nie hat es einer geschafft, seinen ganz eigenen Weg zu finden im Grenzland zwischen den überkommenen Kategorien »U« und »E«. Er begann seine Karriere praktisch über Nacht mit dem Superhit »Con te partirò«, der beim italienischen Schlagerfest von San Remo den ersten Platz erreichte. Als Duett mit Sarah Brightman ging dasselbe Lied ein Jahr später unter dem Titel »Time to Say Goodbye« um die Welt. Verzaubert von Bocellis Charisma und seiner Fähigkeit, Musik schlicht und unprätentiös zu vermitteln, waren auch jene Hörer, die bis dato nicht zu den Klassik-Fans gehörten. Hier erlebten sie einen Künstler, der Brücken schlug; eine unverwechselbare Stimme, die unter die Haut geht.
Inzwischen ist aus Andrea Bocelli ein Weltstar geworden. Man kennt und liebt ihn in Europa, in Japan, Südamerika, Australien und in den USA. Überall fliegen ihm die Herzen entgegen. Und überall vermag der seit seiner Jugend Erblindete sein Publikum gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen. Mit Energie und unerschütterlicher Beharrlichkeit errang Bocelli trotz seines Handicaps die höheren Weihen der Oper: Im sardischen Cagliari trat er als Rodolfo in Puccinis Bohème auf und erntete frenetischen Beifall. Andrea Bocelli, studierter Jurist, lebt heute mit Frau und Kindern auf einem Anwesen bei Pisa. Sein Lebensweg, der einst auf tragische Weise vorgegeben schien, hat ihn schließlich ins Glück geführt und zu einem dankbaren Menschen gemacht. Für seine CDs wurde er mit diversen Platin-Schallplatten ausgezeichnet, und seine Fernsehauftritte in Italien und dem europäischen Ausland sind Legion.
Auf seiner neuesten CD erlebt man Bocelli einmal mehr als begnadet sensiblen Interpreten eines erlesenen Programms. Unter dem Titel »Ariae sacre« hat er sich geistliche Arien ausgewählt, die ihn sein Leben lang begleitet haben. »Ave Maria«, die Huldigung der Jungfrau, ist gleich dreimal vertreten: in den berühmten Vertonungen von Gounod und Schubert, aber auch in einer weniger bekannten Fassung von Caccini/Mercurio. Das Spektrum reicht außerdem von Mozarts »Ave verum corpus« über das »Sancta Maria« des Verismo-Komponisten Mascagni bis hin zu César Francks »Panis Angelicus«. Nicht fehlen darf auch Giuseppe Verdis »Messa da requiem«, aus der Bocelli die herrliche Tenorarie »Ingemisco« singt. Doch was wäre ein großer Tenor ohne erstklassige Begleitung? Ebenso wie das Erfolgsalbum »Voices from Heaven« im vergangenen Jahr (mit Bryn Terfel und Cecilia Bartoli) entstanden die Aufnahmen in Rom unter Leitung des Dirigenten Myung-Whun Chung am Pult des Orchestra di Santa Cecilia.