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“Wie Musik wirklich klingen muß” – Herbert von Karajan in den 1980er Jahren

Karajan 1980s
24.05.2015
Als erfolgsverwöhnter, von staatlichen und kulturellen Würdenträgern hofierter Maestro war er es gewohnt, sich durchzusetzen. Doch das änderte sich in den 1980er Jahren als das Alter begann, seinen Tribut von Herbert von Karajan zu fordern. Ein Rückenleiden und eine Herzkrankheit zwangen ihn, seine vielfältigen sportlichen Aktivitäten so weit zu reduzieren, bis ihm nur noch das therapeutische Schwimmen blieb. Immer deutlicher wurden die Anzeichen seines körperlichen Verfalls. Bei Karajan führte dies verständlicherweise zu wachsender Verbitterung. Vielleicht lag darin der Grund dafür, dass sich sein Verhältnis zu den Berliner Philharmonikern, die er seit 1956 als Chefdirigent auf Lebenszeit leitete, in fataler Weise eintrübte, und dass sich gravierende Meinungsdifferenzen auftaten, die Karajan schließlich, drei Monate vor seinem Tod, mit dem Rücktritt quittierte.

Fundamentale Einsichten

Und doch hat Karajan gerade in seiner von Krankheiten und Krisen überschatteten letzten Lebensdekade musikalisch Großartiges vollbracht, weil er demütig und imstande war, den Verlust seiner körperlichen Bewegungsfreiheit als Geschenk zu begreifen. “Ich kann mir so die Musik noch einmal erwerben”, schreibt Karajan im Buch “Mein Lebensbericht” von 1988. “Durch die quasi erzwungene Ruhe habe ich die Zeit, alle Musik noch einmal zu studieren, zu hören. Und sogar Zeit, alle meine Aufnahmen noch einmal anzuhören. Dabei spüre ich, wo einst der eigene innere Einklang mit der Musik gestört war – und denke nach, wie ich diesen wiederherstellen kann, und wünsche mir, das auch noch einmal aufzunehmen. Ich weiß jetzt besser wie Musik wirklich klingen muß.”

Expressiver Spätstil

“Karajans musikalischer Spätstil profitierte – verglichen mit dem virtuosen Klangsensualismus von früher – nunmehr von einer expressiven, radikal-persönlichen Sicht auf die Musik”, so konstatiert Wolfgang Schreiber in “Die großen Dirigenten”. In dieser Hinsicht besonders hervorzuheben sind Karajans dritte Gesamtaufnahme der Beethoven-Symphonien mit den Berliner Philharmonikern (1982–1984), die eine wahrhaft glühende “Eroica” beinhaltet, die fast vollständige Aufnahme der sinfonischen Dichtungen Richard Strauss' einschließlich einer überragenden Deutung der von Karajan erst im hohen Alter einstudierten “Alpensymphonie” (1981), und seine letzte Aufnahme von Bruckners 8. Symphonie, produziert Ende 1988 mit den Wiener Philharmonikern und in ihrem unbedingten Ausdruckswillen einer von Karajans “größten interpretatorischen Triumphen” (Peter Uehling).

Aufbruch in die Digitalära

Herbert von Karajan erkannte in der Compact Disc und der Bildplatte (Laserdisc), für deren Markteinführung er sich ab Beginn der 1980er Jahre als einer der ersten Musiker überhaupt engagierte, die geeigneten Trägermedien für die Neuaneignungen seiner letzten Jahre. Er sei gern 20 Jahre später geboren worden, bekannte er mehrfach. Dann hätte er genügend Zeit gehabt, sein künstlerisches Vermächtnis auf den neuen digitalen und seiner Ansicht nach ultimativen Bild- und Tonträgern festzuhalten. Immerhin hat Karajan allein an symphonischen Werken zwischen 1980 und 1989 Material in einem Umfang von 78 CDs hinterlassen.

Sämtliche Orchester-Aufnahmen der 1980er Jahre

Diese Aufnahmen werden nun nebst einem 200-seitigen Booklet und Original-Coverabbildungen vollständig in der limitierten Edition “Karajan 1980s Orchestral Recordings” veröffentlicht. Sie beinhaltet neben den genannten Aufnahmen etwa auch die vom ersten und letzten Wiener Neujahrskonzert mit Karajan aus dem Jahr 1987, eine der meistverkauften Klassikaufnahmen überhaupt, und Karajans zweite Einspielung der Zehnten von Schostakowitsch, über die er einmal sinnmegmäß sagte, sie sei ihm so nahe, dass er manchmal denke, er hätte dieses Werk selbst komponiert.
Nicht zuletzt wirft die essenzielle Edition auch ein Schlaglicht auf die von Karajan in ganz jungen Jahren entdeckte und geförderte Ausnahmegeigerin Anne-Sophie Mutter, die als Solistin in Bruchs Violinkonzert Nr.1 in G-moll, op.26, in den Konzerten für Violine in D-dur, op.77 und für Violine und Cello in A-moll, op.102 von Brahms sowie in Tschaikowskis Violinkonzert in D-dur, op.35 glänzt.
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