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Pracht der Bilder

23.01.2008
Die Kamera war für Herbert von Karajan mehr als nur ein Mittel zum Zweck der optischen Archivierung von Musik. Schon früh erkannte der Dirigent die künstlerischen Möglichkeiten, mit Perspektive und Schnitten, Zuspielungen und Schauplätzen zu arbeiten, die den Klangereignissen eine weitere Dimension der Erfahrung ermöglichten. Und so waren auch Aufnahmen wie die der Sinfonien von Brahms oder der Verismo-Opern von Mascagni und Leoncavallo mehr als nur Konzert- und Bühnenmitschnitte. Sie folgten einer erweiterten Dramaturgie des musikalischen Erlebens, wie sich nun anhand der Wiederveröffentlichungen der berühmten Aufnahmen auf DVD staunend nachvollziehen lässt.
Im Laufe der Erfahrungen mit dem neuen Medium hatte sich ein spezielles Team herausgebildet, mit dem Herbert von Karajan bevorzugt sich um die Film- und Fernsehversionen seiner Dirigate kümmerte. Mit dem französischen Regisseur Henri-Georges Clouzot feilte er bereits in den Sechzigern an der Bildersprache, Ernst Wild gesellte sich als Chefkameramann hinzu, ebenso die Cutterin Gela-Marina Runne. In den Räumen der Berliner Philharmonie fanden Konzerte mit ausgewähltem Publikum statt, die für die passende Live-Atmosphäre sorgten. Dazu kamen Nahaufnahmen einzelner Solisten und Führer der Instrumentengruppen, Zwischenschnitte mit Großaufnahmen der Instrumente und natürlich immer wieder der Schwenk zum Maestro, seiner Hand, seiner Gestik und Mimik.

So konnte genug Material gewonnen werden, um beispielsweise die Aufführungen der vier Sinfonien von Johannes Brahms in eine, die Musik ergänzende Bilddramaturgie zu packen, die den Werken eine zusätzliche Dimension verleiht. Da darüber hinaus die Aufnahmen noch vor Karajans schwerer Operation im Winter 1975/76 stattfanden, ist auf dieser DVD das Pultgenie in seiner ursprünglichen Kraft, mit aller Dynamik und Energie zu erleben, der das Brahms-erprobte Orchester zu immer neuen grandiosen Momenten anstachelt. Remastered im faszinierenden Surround-Sound ist auf diese Weise eine Klassiker in perfektem Gewand zurückgekehrt, der schon zu seiner Entstehungszeit in den frühen Siebziger die Menschen faszinierte.
 
Ruggiero Leoncavallo versuchte in verschiedenen Anläufen, es mit den berühmten Zeitgenossen der italienischen Oper aufzunehmen. Geboren in Neapel, ausgebildet am dortigen Konservatorium und in Bologna, arbeitete er als Librettist, Komponist und konnte 1892 mit dem Zweiakter “I Pagliacci” (“Der Bajazzo”) einen sensationellen Erfolg feiern. Die Geschichte um den liebestollen Dorfkomödianten Canio, der vor versammeltem Publikum seine Frau und deren Freund ersticht, packte zunächst das Mailänder Premierenpublikum und bald darauf auch den Rest der Opernwelt bei der Sensationslust. Allerdings blieb es das einzige wirklich erfolgreiche Bühnenwerk des Komponisten.

Ähnlich erging es auch Pietro Mascagni, dem mit “Cavalleria Rusticana” sein Meisterstück gelang. Da stellt der junge Bauer Turiddu seiner früheren Verlobten Lola nach, die jedoch, so wie er selbst, inzwischen anderweitig verheiratet ist. Die einstige Liebe bricht wieder durch, der Ehemann Alfio allerdings ist alles andere als begeistert von der heimliche Liaison. Wie es in Süditalien so üblich ist, folgt ein Zweikampf um die Ehre, der mit Turiddus Tod endet, was aber letztendlich überall nur gebrochene Herzen hinterlässt. Beide Opern werden ihrer veristischen Verwandtschaften und ihrer Kürze wegen gerne zusammen präsentiert, so auch auf der DVD mit den Interpretationen von Herbert von Karajan. Allerdings war der Dirigent in diesem Fall vor allem bei der filmischen Umsetzung des “Bajazzo” beteiligt, für den eigens ein Mailänder Eisstadion in ein Theaterdorf umgebaut worden war. Inszeniert von Paul Hager mit einem Bühnenbild von Georges Wakhevitch, dem großartigen Jon Vickers als Canio und seinen Partnern und Partnerinnen Raina Kabaivanska (Nedda) und Peter Glossop (Tonio) entstand ein Opernfilm, der in Kombination mit der “Cavalleria Rusticana” in jeden klassikbegeisterten Haushalt gehört.
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