Herbert von Karajan | News | Original Masters - First Recordings: Lehrjahre des Genius

Original Masters – First Recordings: Lehrjahre des Genius

07.06.2006
Es ist eine Künstlerbiografie, wie sie heute kaum noch möglich wäre. Herbert von Karajan spielte bis zu einer Ernennung 1955 als Chefdirigent auf Lebenszeit der Berliner Philharmoniker mit den verschiedensten mal hochprofessionellen, mal weniger ambitionierten Ensembles. So hatte er auf der einen Seite die Möglichkeit, war aber auf der anderen auch gezwungen, seinen persönlichen Klang als Dirigent zu entwickeln, der ihn von den berühmten Konkurrenten der Zeit unterschied. Diesen Prozess der künstlerischen Selbstdefinition dokumentieren die frühen Aufnahmen für die Deutsche Grammophon, mehr noch, die zeigen, wie das “Wunder Karajan” Gestalt annahm.
Herbert von Karajan stammte aus einer musikbegeisterten Familie von Ärzten und Akademikern. Geboren am  5. April 1908 in Salzburg, begann er als Vierjähriger, Klavier zu spielen und erwies sich als musikalisch außerordentlich begabt. Aus diesem Grund besuchte er bereits während seiner Schulzeit das Mozarteum und ließ sich als Pianist ausbilden. Es folgten Studien an der Wiener Musikakademie, von 1926 an an der Musikhochschule der Stadt. Zwei Jahre später arbeitete er bereits als Chorleiter und Dirigent am Stadttheater Ulm. Sein Debüt am Pult gab er 1929 am Mozarteum, ein Jahr später wurde ihm die Leitung der Dirigierkurse während der Salzburger Festspiele übertragen. Er bekam 1934 ein Angebot von der Aachener Oper und 1935 wurde er dort zum jüngsten Generalmusikdirektor Deutschlands bestimmt. Im Jahr 1937 debütierte Herbert von Karajan am Pult der Wiener Oper, im kommenden Jahr stellte er sich an der Berliner Staatoper mit einem eindrucksvollen Gastspiel des “Fidelio” vor. Diese Aufführung brachte ihm den Durchbruch, denn im Anschluss daran begann die Presse, über das “Wunder Karajan” zu spekulieren. Von 1939 bis 1943 arbeitete er als Staatskapellmeister an der Oper und begann bereits mit ausgiebiger Aufnahmetätigkeit, die allerdings von Phasen der erzwungenen Stagnation unterbrochen wurde. Als er 1942 Anita Gütermann heiratete, deren Stammbaum auch jüdische Vorfahren aufwies, wurde Karajan von seinen öffentlichen Ämtern enthoben.
 
Es war vor allem die Freundschaft zu dem musikfanatischen Industriellen Ernst von Siemens, die es dem Dirigenten in den folgenden Jahren ermöglichte, weiter mit Orchestern auch vor Mikrofonen zu arbeiten. Denn die Firma Siemens hatte 1941 die Deutsche Grammophon gekauft und so boten sich trotz nationalsozialistischer Behinderungen immer wieder Möglichkeiten, die Kunst zu archivieren. Die Box in der Reihe Original Masters kann daher auf einen reichen Fundus von frühen Aufnahmen zurückgreifen, die in den Jahren 1938 bis 1943 entstanden. Karajan standen dabei so unterschiedliche Ensemble wie die Staatskapelle Berlin, die Berliner Philharmoniker, das Concertgebouw Orchestra oder das Orchestra Sinfonica della RAI di Torino zur Verfügung. Das inhaltliche Spektrum der Aufnahmen ist außerordentlich vielseitig. Es reicht von Mozarts Ouvertüre der “Zauberflöte” und drei seiner mittleren und späten Sinfonien über Rossini, Weber, Cherubini bis hin zu Richard Strauss, dessen “Don Juan, op. 20” und Schleiertanz aus der “Salome” er mit den Amsterdamern verwirklichte. Die Romantik war unter anderem mit Werken Smetanas, Tschaikowskys und Dvoraks vertreten, Wagner behandelte er mit zwei Vorspielen aus den “Meistersingern”, Brahms schleißlich ehrte er mit einer außergewöhnlich sensiblen interpretation der ersten Sinfonie im September 1943. Zusammengefasst auf sechs CDs entsteht auf diese Weise ein Portrait eines stetig durch konsequente Arbeit und Erfahrung über sich hinauswachsenden Jahrhundertskünstlers, der nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nicht umsonst als einer der herausragenden Maestros am Pult internationaler Ensembles gefeiert wurde.
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