Herbert von Karajan | News | Forever Young

Forever Young

28.03.2003
Herbert von Karajan war nicht nur ein außergewöhnlicher Dirigent, sondern auch ein Meister der Selbststilisierung. Ob Pult oder Probe, Segelturn oder Motorrad-Safari – immer waren Fotografen dabei, die den Genius in geeigneten Situationen portraitierten. Und so wundert es kaum, dass auch die Plattenhüllen der Edition “The Collection” ein wenig anders ausfallen, als man es von den Maestros seiner Generation gewohnt ist. Schließlich hat Musik auch etwas mit Lebenskunst zu tun.
Es ist nur ein kleiner Griff ins Archiv. Auf gerade mal 20 CDs stellt die Reihe “The Collection” einige wesentliche Aufnahmen vor, die Herbert von Karajan im Laufe seiner Jahrzehnte bei der Deutschen Grammophon auf Tonträgern festgehalten hat. Allerdings setzt die Auswahl der Werke Schwerpunkte auf verschiedene Schaffensphasen und Spezialgebiete des Dirigenten. Sie präsentiert ihn als enorm vielseitigen Workaholic für die Kunst, energisch bei Beethoven, fragil bei Grieg, umstritten bei Mozart, hintergründig bei Tschaikowsky. Sie skizziert mit außergewöhnlichen Musikdokumenten, wie und warum er sich zu einer künstlerischen Leitfigur des vergangenen Jahrhunderts hat entwickeln können. Und sie bietet ausführlich kommentiert die Möglichkeit, anhand der thematischen Zusammenstellungen schrittweise einen Meister der Interpretation wieder-, vielleicht sogar neu zu entdecken. Ein paar Beispiele:
 
“Karajan ist ein großer Meister”, schrieb der greise Sibelius an den Plattenproduzenten Walter Legge im Jahr 1955. Der finnische Komponist meinte damit nicht nur die Kompetenz des Dirigenten im Allgemeinen, sondern auch die Verdienste um die nordländische Musik. Denn zu Zeiten, als die Öffentlichkeit wenig mit Sibelius anfangen konnte, sorgte Karajan dafür, dass dessen Werk nicht in Vergessenheit geriet. Als man 1965 zum Beispiel der 100 Geburtstag des Komponisten beging, standen die Berliner Philharmoniker bei Fuß, um mit “Finlandia”, “Tapiola” und dem “Schwan von Tuonela” zu gratulieren. Zwei Jahre später folgten noch “Valse Triste”, schließlich 1982 “Pelléas und Mélisande”. Edvard Grieg wiederum faszinierte Karajan über seine Laufbahn hinweg so sehr, dass er “Peer Gynt” gleich dreimal auf Platte festhielt. Die bekannteste Einspielung ist dabei die Version vom September 1971, die in ihrer dramaturgischen Stringenz und Klarheit viele begeisterte Hörer fand.
 
Dvoraks “Slawische Tänze” waren ein Hit. Kurz nachdem Karajan Ende der Fünfziger zur Deutschen Grammophon nach 15jähriger Pause zurückgekehrt war, nahm er mit den Berlinern die an volksmusikalischen Originalen orientierten Kompositionen auf und kombinierte sie auf LP mit den “Ungarischen Tänzen” von Brahms. Das saß, traf den Nerv des Publikums und verkaufte sich in Windeseile. Überhaupt hatte der österreichische Dirigent ein besonderes Gespür für die osteuropäischen und skandinavischen Komponisten. Dvoraks Neunte spielte er mit dem Schmiss der Berliner, für die Achte bevorzugte er die Wiener Kollegen. Und Smetana, den er seit den ersten Erfahrungen mit Vaclav Talich besonders verehrte näherte er sich in unterschiedlichen Kreisen. Die “Moldau” etwa wurde in sechs verschiedenen Versionen festgehalten, “Vysehrad” wiederum archivierte er nur einmal und von der “Verkauften Braut” gibt es gar nur einige Einzelsätze auf Tonträger. Von der gesamten Oper ließ er die Finger, er bevorzugte deren Tänze.
 
Tschaikowsky gehörte zu den musikalischen Pfeilern, auf die Karajan sein dirigentisches Können aufbaute. Schon als er mit 20 Jahren sein Debüt am Salzburger Mozartheum wagte, stand die fünfte Symphonie des russischen Nationalkomponisten auf dem Programm. In den folgenden Jahren gehörte sie zu den bevorzugten Konzertwerken des Pultaufsteigers, von 1933 an um die “Pathétique”, schließlich 1938 um die Vierte im Repertoire ergänzt. Sie waren der richtige Stoff, um das Publikum bei den Gefühlen zu packen und tatsächlich gelang es Karajan immer wieder, mit Tschaikowsky zu überraschen. Die für “The Collection” ausgewählten Aufnahmen mit den Berliner Philharmonikern gehören dabei zu den freundlichsten, die im Laufe der Jahre entstanden, gemäßigter etwa als die Fünften von 1953 und 1975. Trotzdem sind sie charakteristisch für das, was das Publikum an Karajan so liebte: die Deutlichkeit der Interpretation und das Gespür für die große Geste, das pathetische Gefühl.
 
Für alle Karajan-Fans stellen wir drei der neuen Cover-Bilder als Hintergrundbild zur Verfügung:
 
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