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Drohende Erhabenheit, tiefer Trost

19.07.2002
Herbert von Karajan hatte sich Zeit gelassen mit Mozarts “Requiem”. Obwohl er bereits als Vierzehnjähriger an einer Aufführung des monumentalen Werkes im Salzburger Dom unter der Leitung seines Lehrers Bernhard Paumgartner mitwirkte, wartete er beinahe vier Jahrzehnte, bis er es anno 1960 zum ersten Mal selbst dirigierte. Umso klarer war sein Interpretation, die die Ehrfurcht vor dem Genie mit der Kraft der eigenen Orchester-Erfahrung verband.
Obwohl Milos Forman einiges hinzu dichtete, sind die Passagen aus seiner Mozart Hommage “Amadeus”, bei denen er den fiebrigen Genius das eigene “Requiem” aus dem Gedächtnis heraus entwickeln lässt, die einprägsamsten des Films. Das liegt zum einen an der gekonnten Inszenierung des herannahenden Todes, vor allem aber an der enormen Intensität, die das Chorwerk – in diesem Fall als Soundtrack – in sich birgt. Ursprünglich sollte es eine musikalische Würdigung der jung verstorbenen Ehefrau des exzentrischen Grafen Franz von Walsegg-Stuppach werden, der das “Requiem” 1791 in Auftrag gegeben hatte. Tatsächlich aber wurde es zu Mozarts eigenem, tragischem Abgesang. Denn im Laufe des Jahres verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Erschöpft, vom Gelenkrheumatismus geplagt, fand sich der verarmte Komponist im Spätherbst auf dem Krankenlager wieder. Die Hälfte des “Requiems” hatte er noch eigenhändig niederschreiben können, den Rest skizzierte er zusammen mit seinem Assistenten Franz Xaver Süßmayr. Am 5.Dezember 1791 starb Mozart, ohne das Werk eigenhändig vollendet zu haben. Süßmayr führte es nach den Angaben des Komponisten zuende, so dass Walsegg es am 14.Dezember 1793 unter seinem Namen uraufführen konnte. Erst Jahrzehnte später wurde das “Requiem in d-Moll KV 626” tatsächlich eindeutig Mozart zugeordnet.
 
Der Tragik der Entstehung steht dabei die Strenge der Form gegenüber, die das Werk bis heute ausstrahlt. Schon deshalb gehört es zu den Feuerproben jedes Dirigenten, das “Requiem” zur Aufführung zu bringen. Herbert von Karajan gestaltete es im Bezug auf die frühen Salzburger Versionen, die er kannte, und versuchte zugleich, den Orchesterklang der Berliner Philharmoniker so transparent wie möglich zu gestalten – eine Vorliebe, die er in späteren Einspielungen weiter differenzierte. Die Solo-Partien besetzte er mit dem noch jungen Bass Walter Berry auf der einen und Stars der Wiener Staatsoper wie der Sopranistin Wilma Lipp auf der anderen Seite. Im Oktober 1961 in der Berliner Jesus-Christus-Kirche aufgenommen, wurde die Karajan-Deutung des Werks zu einem Klassiker der Interpretation, an dem sich in den folgenden Jahren zahlreiche weitere Einspielungen orientierten. Für die “Originals”-Ausgabe wurde es außerdem durch eine 1969 verwirklichte Aufnahme von “Adagio und Fuge c-moll für Streicher KV 546” ergänzte, in der Mozart drei Jahre vor seinem “Requiem” bereits Stimmungsmomente des machtvollen Chorwerkes vorwegnahm.
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