Renée Fleming | News | Ursprünge eines Stars

Ursprünge eines Stars

19.08.2005
Die Sacred Songs waren für Renée Fleming in vieler Hinsicht eine Reise in die Vergangenheit. Da war zunächst ihr Partner am Orchesterpult Andreas Delfs, mit dem sie einst gemeinsam beim Aspen Summer Music Festival in Colorado studierte und arbeitete. Vor allem aber ist das Repertoire eine Erinnerung an ihre Anfänge, als sie aus familiären Gründen häufig mit den sakralen Stücken zu tun hatte. So erscheint nahezu zeitgleich mit Richard Strauss' Daphne ein Album mit Herzensliedern der amerikanischen Starsopranistin, das einmal mehr ihre umfassende Kompetenz in ihrem Fach dokumentiert.
Eines war schnell klar. Die Lieder für die Weihnachtszeit würden eine eigene Aufnahme für sich beanspruchen. Die übrigen Stücke aus dem geistlichen Melodienschatz jedoch wollte sie versuchen, auf einer repräsentativen CD zu vereinen. Abgesehen von der komplizierten Auswahl, die das immense Repertoire an geistlicher Musik mit sich brachte, fühlte sich Fleming auf dem zunächst ungewohnt wirkenden Terrain zu Hause: “Ich bin damit aufgewachsen, in Kirchenchören zu singen. Mein Vater war ein Chordirigent, der in verschiedenen protestantischen Glaubensgemeinschaften gearbeitet hat, während wir zwischen Pennsylvania und dem Staat New York hin- und herzogen. Er hatte ein große Liebe zur Musik und es machte ihm nichts aus, seine Choramateure mit Stücken wie Bernsteins ‘Chichester Psalms’ oder einer Bachmesse herauszufordern”. Die Impulse kamen jedoch nicht nur von Flemings Vater, denn auch ihre Mutter war in vieler Hinsicht musikalisch aktiv und sang etwa als Solistin in der Kirche von Rochester. “Die Kirche hatte ein sagenhaftes Musikprogramm und neben meiner Mutter und einigen der besten Studenten der Eastman School of Music hatte ich den Vorteil, einen großen Teil des Grundrepertoires an Oratorien zu lernen”. Schließlich kam sie über ein Stipendium nach Deutschland unter anderem zu Arleen Auger, die wiederum als Spezialistin für Oratorien Flemings Kompetenzen noch weiter ausbaute: “Ich habe diese Stücke nicht nur mit Arleen studiert, sondern hatte auch das Vergnügen, an Helmut Rillings Stuttgarter Bachakademie teilzunehmen. Umständehalber wandte ich mich später entschieden der Oper zu. Das bedeutete von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Ende meiner Konzerterkundungen mit Oratorien und geistlicher Musik bis heute”.

Um so mehr war es für Fleming ein ehrlicher Wunsch, sich wieder ausführlich den wunderbaren Melodien und den damit verbundenen Gefühlen ihrer Lehrjahre widmen zu können. Zusammen mit Andreas Selfs sichtete sie große Mengen an Liedern, zum Teil rückte sie mit einem halben Dutzend Variationen zu einem Stück an. Schließlich entscheid sie sich für eine Zusammenstellung, die durchaus auch populäre Züge hat. “Wir haben uns den Hörer zu Hause an einem schönen Sonntag morgen vorgestellt”, meinte Fleming später zu ihrer Auswahl. So kommt es, dass man sowohl Bachs als auch Schuberts “Ave Maria” wieder findet, aber auch zahlreiche andere Lieder, die nicht nur dem engen Kreis der liturgischen Werke entspringen, wie etwa Bernsteins “A Simple Song”, Regers “Mariä Wiegenlied” oder Humperdincks “Abends will ich schlafen gehen”. Darüber hinaus sind aber auch Klassiker der Messen- und Oratorienliteratur von Mozart, Bach, Händel, Fauré oder Poulenc enthalten. Verwirklicht wurden die Aufnahmen von Fleming und Delfs zusammen mit dem Royal Philharmonic Orchestra, den London Voices und der Mezzo-Sopranistin Susan Graham als Gast. Auf diese Weise entstand ein stimmungsvolles Album für die Herbstmonate, das nicht nur wunderbare Melodien enthält, sondern auch eine der imposantesten Sopranistinnen unserer Zeit in für den Hörer ungewohntem Klangambiente präsentiert, das sich als eines ihrer vergessenen Kernfächer herausstellt.
Mehr von Renée Fleming