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Handel’s Delight

22.10.2004
Georg Friedrich Händel gehört zu den produktivsten Komponisten seiner Ära. Allein 42 Opern und 30 Oratorien entstanden vor allem während seiner Londoner Zeit. Dabei hatten die Arien immer eine herausragende Stellung, sollten sie doch sowohl das Können der Vokalisten dokumentieren, als auch inhaltlich die Handlung vorantreiben und das Publikum unterhalten. Ein Programm mit Händel-Arien zusammen zu stellen, ist daher eine anspruchsvolle Aufgabe. Renée Fleming wählte 16 Beispiele aus vier Jahrzehnten der Schaffenskraft des Komponisten und kombinierte sie zu einem reizvollen Themenalbum voller Barockmelodien.
Mit dem frühen Tod Herny Purcells (1659–95) endete eine kurze Zeit musikalische Blüte im englische Kulturleben. Danach kam eine ganze Weile kaum etwas Eigenständiges, obwohl das Bedürfnis zumindest nach Unterhaltung durchaus vorhanden war. Vor allen die Oper als Mischung von Bühnenausstattung, Dichtung, Gestik, musikalischer Interpretation und gesellschaftlichem Ereignis hatte im Londoner Bürger- und Hofleben einen festen Platz. Da es jedoch keine englischen Komponisten von Rang gab, musste man die Werke importieren. Besonders beliebt war die italienische Oper mit ihrer typischen und leicht fassbaren Form. Das gab es alles, was das Entertainmentherz begehrte: exotische Themen und unernste Tragik, burleske Komik und leichte Verständlichkeit, bunte Kostüme und wirkungsvolle Musik. Gegen diese Konkurrenz musste Georg Friedrich Händel (1685–1759) antreten, als er 1710 in London ankam und begann, erste Opern zu veröffentlichen und zu inszenieren. Er machte seine Sache gut, rief 1719 die Royal Academy of Music ins Leben, ein groß angelegtes Unternehmen, das vom König und von einigen Adeligen unterstützt wurde. So hatte er ein Forum, seine Opern zu präsentieren und avanciert bald zum meist geschätzten Komponisten im England dieser Jahre.
 
Die Periode der Opernbegeisterung hielt bis in die 1730er Jahre an, dann musste sich Händel mit persiflierenden Konkurrenten auseinandersetzen. Man stritt sich offen und verdeckt. Das Resultat war die Abwendung des Publikums von der Oper und letztlich der Niedergang der ganzen Sparte. Händel grämte sich zwar, aber nicht zu sehr. Denn er hatte im Oratorium, einer Art Oper ohne szenische Handlung und Kostüme, einen Ersatz gefunden, der seinem zunehmenden Bedürfnis nach ernsten Themen entgegen kam. Und so schaffte er es noch einmal, sich beim Londoner Publikum zu etablieren, so sehr, dass er nach seinem Tod in der Westminster Abbey als einer der wichtigsten britischen Männer beigesetzt wurde.
 
Insofern hatte die Sopranistin Renée Fleming die Qual der Wahl: Sollte sie sich nun auf eine der Schaffensphasen konzentrieren oder einen Querschnitt durch das gesamte vokale Schaffen des Komponisten bieten? Sie entschied sich für die zweite Lösung und kombinierte Arien aus Opern und Oratorien zu einem Programm. Das hat zum einen den Vorteil, dass für Abwechslung gesorgt ist und weder die Interpretin noch das Publikum mit Wiederholungen zu rechnen hat. Zum anderen bildet es einen breiten Überblick über Händels musikalische Variabilität und wird der Vielfalt seiner künstlerischen Ausdruckskraft gerecht. Fleming ging für die Aufnahmen im November 2003 im “Colosseum” von Watford gemeinsam mit Orchestra Of The Age Of Enlightenment unter der Leitung von Harry Bicket in Klausur und schuf tatsächlich ein Album, das etwas mit Erleuchtung zu tun hat. Denn entspannter und zugleich konzentrierter hat man die Starsopranistin bislang kaum hören können. Ein faszinierendes Stimmungsbild und ein ausgezeichnetes Vokalalbum noch dazu.
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