Mitsuko Uchida | News | À la mode

À la mode

29.03.2006
Man geht davon aus, dass die Klaviersonaten Mozarts tatsächlich einen konkreten Übungshintergrund hatten. Denn der Wahlwiener war zwischenzeitlich zu einem beliebten Lehrer geworden und hatte Schüler(innen), die nach neuem Material verlangten. Dazu kam die zunehmende Begeisterung für das instrumentengeschichtlich noch relativ junge Pianoforte, das neue Möglichkeiten des Ausdrucks gegenüber dem Cembalo versprach. Gründe gab es für Mozart daher genug, sich in vergleichsweise strenger Form mit dem Klavier zu beschäftigen – auch wenn manche Sonate eigentlich keine ist.
Das älteste, heute noch existierende Cembalo wurde 1521 von Hieronymus Bononiensis gebaut und steht im Londoner Victoria and Albert Museum. Damals war es noch ein relativ neues Instrument, in seiner Art gerade mal ein paar Jahrzehnte alt und hatte seine Blütezeit bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts vor sich. Zu Mozarts Lebzeiten allerdings war sein Ruf bereits ein wenig verblasst und das lag vor allem an der zunehmenden Konkurrenz durch einen lauteren und vielseitigeren Bruder aus der gleichen Familie: Das Pianoforte. Auch wenn es noch nicht industriell hergestellt werden konnte und kleine Familienbetriebe wie die Schmahls in Regensburg oder die Steins in Augsburg kaum mehr als ein dutzend Exemplare im Jahr produzierten, war der Siegeszug des Instrumentes nicht aufzuhalten. Und das lag nicht nur am modischen Reiz des Neuen, sondern tatsächlich an einem erweiterten Spektrum der Ausdrucksvarianten. Mozart etwa hatte im Jahr 1777 in Augsburg den Klavierbauer Johann Andreas Stein besucht und sich bei dieser Gelegenheit über die aktuellen Trends der Entwicklung informiert. Er war fasziniert und schickte sich bald darauf an, seinem skeptischen Vater ausführlich die Vorzüge des Gerätes zu beschreiben: “Ich mag an die Claves kommen wie ich will, so wird der Ton immer gleych sein … seine [also Steins] instrumente haben besonders das vor andern eigen, daß sie mit auflösung gemacht sind … seine hämmerl, wen man die Claves anspielt, fallen, in den augenblick, da sie an die saiten darauf springen, wieder herab, man mag das Claves liegen lassen oder auslassen”.

Mozart war begeistert und Enthusiasmus schlug bei ihm meistens in Kompositionen um. Nach den sechs frühen, in Salzburg (1774) und München (1775) entstandenen Sonaten machte er sich zunächst in Mannheim (1777), dann in Paris (1778) an den nächsten Schwung mit sieben Stücken, denen dann in Wien zwischen 1784 und 1789 noch einmal weitere sechs Anmerkungen zu diesem Thema folgten. Die japanische Pianistin und viel gelobte Mozart-Spezialistin Mitsuko Uchida, spielte in den Achtzigern die komplette Serie ein, für die Zusammenstellung der Mozart Collection, wurde eine der frühen, zwei der mittleren Sonaten und die populäre “Fantasie d-Moll, KV 397” ausgewählt. Aus gutem Grund, denn sie gehören zu den schillerndsten Beispielen dieser Gattung. Die Sonate KV 331 zum Beispiel ist genau genommen gar keine Sonate, weil sich keiner der drei Sätze an die strenge formale Gestaltung der Sonatenform hält. Beim Andante grazioso handelt es sich vielmehr um ein Thema mit sieben Variationen in der heiteren Tonart A-Dur, die Mozart bevorzugte, wenn er viel Gefühl darstellen wollte. Der dritte Satz wiederum ist das berühmte “Alla turca”, das dem exotistischen Trend jener Jahre folgend vorgab, orientalische Einflüsse zu haben. Uchida widmet sich diesem wohl bekannten Klassiker ebenso wie den Sonaten KV 310 und KV 332 mit einer tendenziell temporeichen Mischung aus emotionaler Präsenz und analytischer Brillanz. Der renommierte Penguin Guide resümierte daher, das Spiel ihrer 1983 und 1985 in der Londoner Henry Wood Hall entstandenen Aufnahmen habe “durchweg ein feines Gespür und hohe Musikalität. Jede Phrase ist schön gestaltet, jedes Detail wird deutlich”. So, wie es eben sein soll.