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Tragik der Liebe

03.06.2005
Giuseppe Verdi (1813 – 1901) schrieb im Laufe der Jahre 26 Opern. Mindestens ein Drittel davon ist noch immer Standard auf den großen internationalen Bühnen, die übrigen Werke erscheinen seltener in den Spielplänen. Das mag mit den zum Teil aus heutiger Sicht verwirrenden Libretti zusammenhängen, die Verdi vor allem in seiner politischen Phase bis “Rigoletto” (1851) als Vorlagen bevorzugte. An der Musik kann es jedenfalls nicht liegen, denn sie ist gewohnt gekonnt und ungemein wirkungsvoll konzipiert worden. Schon deshalb ist es ein Erlebnis, sich auf zwei der weniger bekannten Werke wie Un Giorno di Regno und und Stiffelio einzulassen, die in der Reihe Classic Opera mit hervorragenden Solisten wie José Carreras und Jessye Norman wieder zugänglich gemacht worden sind.
Als Verdi in späten Jahren einmal gefragt wurde, was er denn für sein wichtigstes Werk halte, antwortete er mit weiser Diplomatie, es sei das Altersheim für Musiker, das er in Mailand ins Leben gerufen habe. Auf diese Weise entgingen seine Opern einer vom Komponisten legitimierten Vorsortierung, die eine spätere Rezeption mit Sicherheit beeinflusst hätten. Es genügt so schon, dass sein Name in der Regel mit “Nabucco”, “Rigoletto”, “La Traviata” und “Aida” in Verbindung gebracht wird und somit die vielen anderen Werke vor allem der frühen Jahre gerne vergessen werden. Diese Phase wird in der Regel unter dem Vorzeichen des Risorgimento gesehen, der italienischen Einigungsbewegung, für die sich Verdi zunächst stark machte – immerhin ging er ja sogar in die Politik und versuchte als Abgeordneter im Parlament die Geschicke seines Landes mit zu bestimmen. So wundert es wenig, dass er immer wieder Stücke vertonte, die mit Ausschnitten aus dem Leben der Mächtigen sich beschäftigen. Seine zweite Oper Un Giorno di Regno (uraufgeführt in Mailand 1840) zum Beispiel handelt von Ränkespielen um den Höfling Belfiore des polnischen Königs, der sich im Ausland auf Schloss Kelbar in Frankreich für den Monarchen ausgeben muss, damit dieser in seiner Heimat ungestört von der Öffentlichkeit für Ordnung sorgen kann. Wie zu erwarten kommt es zum Interessenkonflikt, als sich Liebe mit in die Camouflage mischt und beinahe wären zwei Hochzeiten geplatzt, hätte nicht der wahre König in letzter Minute eingegriffen.

Stiffelio wiederum ist noch komplexer angelegt. Hier verknüpfen sich die Stränge Religiosität, Ehebruch und Ehrverletzung zu einem Drama um die gebeutelte Hauptfigur, die mit einem erschlagenen Liebhaber, einer gescheiterten Ehe und einem mit Schuld beladenen Schwiegervater viel Melodramatisches zu bewältigen hat. Diesmal ist es nicht die Politik, die die Liebe behindert, sondern die Wollust der anderen, die das klar geregelte Leben des evangelischen Pfarrers Stiffelio aus den Fugen geraden lässt. Uraufgeführt wurde die Oper 1850 in Triest, als direkter Vorläufer von “Rigoletto” und “Il Trovatore”, die schnell die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zogen. Die vorliegende Aufnahme der Reihe Classic Opera wiederum entstand im Juni 1979 in Wien und erlebte in der Hauptrolle einen bewegenden José Carreras, der seiner untreuen Gattin Lina (Sylvia Sass), deren Liebhaber Raffaele (Ezio di Cesare) und dem energischen Schwiegervater Stankar (Matteo Manuguerra) durch die Höhen und Niederungen der Gefühle folgen muss.

Sechs Jahre zuvor wiederum hatte er ebenfalls eine wichtige Rolle als Edoardo di Sanval in Un Giorno di Regno, diesmal an der Seite der großartigen Jessye Norman als Tochter Giulietta des Barons von Kelbar (Wladimir Ganzarolli) und der ebenfalls brillanten Sopranistin Fiorenza Cossotto in der Rolle der Marchesa del Poggio. Beide Aufnahmen wurden vom Verdi-Spezialisten Lamberto Gardelli dirigiert, im Falle der ersten an der Spitze des Symphonie-Orchesters und Chors des ORF und der zweiten am Pult des Royal Philharmonic Orchestra. So sind zwei Verdi-Raritäten nun wieder für die Freunde der italienischen Oper verfügbar. Und es bleiben nicht die einzigen, die die Reihe Classic Opera in diesem Frühsommer zu bieten hat.
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