Im September 2011 spielten der italienische Jazzpianist
Stephano Bollani und sein Landsmann, der amtierende Gewandhauskapellmeister
Riccardo Chailly, anlässlich des traditionellen
Gewandhaustags in der Leipziger Innenstadt auf dem Augustplatz ein kostenloses Open-Air-Konzert, dessen überschäumende Freude den Besuchern wohl noch heute in lebhafter Erinnerung sein dürfte. Der Spätsommerabend begann mit einem für Orchester bearbeiteten Tango von Strawinsky, gefolgt von Ravels Klavierkonzert G-Dur. Zur Uraufführung kam die Neufassung einer Suite aus Viktor de Sabatas großformatigem romantischen Ballett “Mille e una notte” und den krönenden Abschluss bildete Gershwins Meisterwerk “Rhapsody in Blue”.
Fortsetzung einer Erfolgsgeschichte Die Inspiration zu dem abwechslungsreichen Programm mit
Musik aus den 1930er Jahren gab der außergewöhnliche Erfolg des ersten gemeinsamen
Aufnahmeprojekts von
Chailly und Bollani im Jahr 2010. Unter dem Titel
“Rhapsodie in Blue” hatten sie mit dem Gewandhausorchester Werke von
George Gershwin eingespielt und ein Aufeinandertreffen von
Jazz und
Klassik zelebriert, das die deutschen Klassikcharts stürmte, sich in Italien gar 37 Wochen in den Popcharts hielt und
Platinstatus erreichte. Nun legt Decca das Nachfolgealbum
“Music of the Thirties” nach, dessen Eröffnungsstück,
Ravels Klavierkonzert in G-Dur, die Brücke zu Gershwin schlägt. Ravel, der draufgängerische Baske in Paris, und Gershwin, Kind russischer Juden in New York, machten sich die Kultur der Straße zu eigen, offenbarten in ihrer Musik ein multikulturelles Verständnis, das ihrer Zeit um Lichtjahre voraus war – Gershwin überführte afro-amerikanische Rhythmen in den Mainstream, Ravel flirtete mit Gipsy- und Volksmusik, bevor er sich für sein Klavierkonzert, inspiriert auch durch Gershwin, auf die “Niederungen” des Jazz, als einem möglichen neuen Anknüpfungspunkt für die klassische Musik des Westens, einließ.
Musikalisches Wunderland Die Komponisten lernten einander 1928 während einer Konzertreise Ravels durch die Vereinigten Staaten persönlich kennen. George Gershwin, seiner technischen Fähigkeiten als Komponist unsicher, bat Ravel, so die Legende, um Unterrichtsstunden. Doch lehnte dieser mit der Begründung ab, es gebe nichts, das er Gershwin beibringen könnte, ohne dessen einzigartige Gabe zu beschädigen. Einer anderen Version dieser Anekdote zufolge soll sich Gershwin an
Igor Strawinsky gewandt haben. Doch bestätigte jener, die Geschichte von Ravel gehört zu haben. In jedem Fall kommentiert auch Strawinsky in seinem
Tango die idiomatischen Widerhaken und Techniken eines geliehenen Stils. Und die exotische Handlung von
Victor de Sabatas Ballett
“Mille e una notte”, die das altertümliche Persien mit dem Amerika des Jazz-Zeitalters verknüpft, erlaubt es dem Komponisten, Foxtrott, Tango und Walzer in einem musikalischen Wunderland zu vereinen, in dem Richard Strauss und Fred Astaire koexistieren.