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Jauchzet, frohlocket! – Chaillys Weihnachtsoratorium

Riccardo Chailly © Decca / Ben Ealovega
© Decca / Ben Ealovega
27.10.2010
Nach seiner Stelle bei Fürst Leopold von Anhalt war Johann Sebastian Bach weiter nach Leipzig gezogen und hatte dort als Kantor der Thomaskirche sein Auskommen gefunden. Vor allem hatte nun die Gelegenheit, sich ausgiebig der geistlichen Musik zu widmen. Zwar hatte Bach auch hier zu kämpfen, es gab immer wieder inhaltliche Auseinandersetzungen etwa mit dem Vorgesetzten in der Thomasschule, in der Bach zu lehren hatte und deren Unterricht er mit Musik zu füllen versuchte. Es gab aber auch zahlreiche Gönner innerhalb des kursächsischen Adels in Leipzig, so dass der Komponist zumindest bis in sein letztes Lebensjahrzehnt hinein sein Auskommen hatte. So entstand unter anderem auch das „Oratorium Tempore Nativitatis Christi“ für Soli, Chor, Orchester und Generalbass, dass er für die Weihnachtssaison 1734/35 zum Teil aus bereits vorhandenen Kantaten zusammengestellt und neu bearbeitet hatte.

Das Werk hat sechs Teile, die von Heiligabend bis zu Epiphanias aufgeführt wurden. Genau genommen ist es kein richtiges Oratorium im Sinne eines durchgehenden Oeuvres, sondern eine Aneinanderreihung von 6 Kantaten, die vorrangig liturgisch, nicht künstlerisch zusammenhängen. Anstatt der opernähnlichen dramatischen Wiedergabe konzentrierte sich Bach auf das epische Element und die poetische Gestaltung der Texte, die er für kraftvoll genug hielt, sich im Einklang mit der Musik zu behaupten. Diese Vermengung aus Bekanntem und Poetischem, Liturgie und Geschichtenerzählung machte sein „Weihnachtsoratorium“ zu einem großen Erfolg über die Jahrhunderte hinweg. Und obwohl es zu den viel gespielten Werken Bachs gehört, ist es für jeden Dirigenten eine Herausforderung, dem großen Opus eine gültige Form zu geben.

Riccardo Chailly hatte sich als Chefdirigent des Gewandhausorchesters in Leipzig das Ziel gesetzt, exemplarisch einige der zentralen Werke des barocken Genius mit dem erfahrenen Ensemble umzusetzen und aufzunehmen. Über das Jahr hinweg erschienen bereits seine Interpretation der „Matthäuspassion“ und der „Brandenburgischen Konzerte“. Mit dem „Weihnachtsoratorium“ schließt er diese Reihe nun ab und kann neben dem Dresdner Kammerchor noch auf herausragende Solisten wie Martin Lattke als Evangelist, Wolfram Lattke als Tenor und Carolyn Sampson als Sopranistin zurück greifen. Riccardo Chailly gelang es dabei, mit modernen Instrumenten und der Übersicht eines erfahrenen Bachinterpreten das umfangreiche Werk bis ins Details der dynamischen Gestaltung so ausgewogen zu gestalten, dass im Einzelnen wie im Ganzen Chor, Solisten, Ensemble und Werk wie eine organische Einheit wirken. Chaillys Bach ist lebhaft und kontemplativ zugleich, Musik, die zum Himmel strebt und im selben Moment die Menschen erreicht. Eben ganz so, wie der Komponist es sich gedacht hatte.
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