Für das
Leipziger Gewandhausorchester gehört das musikalische Erbe
Ludwig van Beethovens zur Raison d'être. Unter Maestro Johann Philipp Christian Schulz spielte das Orchester noch zu Lebzeiten des Komponisten den ersten vollständigen Zyklus seiner Symphonien. Beethovens Tripelkonzert C-Dur und das Klavierkonzert Es-Dur wurden hier uraufgeführt. Und seit 1918 erklingt im Gewandhaus zu Silvester traditionell die Neunte. Der Pflege der Beethoven-Tradition kommt hier, so scheint es, ein fast erdrückendes Gewicht zu.
Chailly zeigt Mut zum RisikoUmso überraschender der wagemutige Zugriff des amtierenden Gewandhauskapellmeisters
Riccardo Chailly, der es für die im Oktober 2011 vorgelegte
Gesamteinspielung der Beethoven-Symphonien auf sich genommen hat, die Gretchenfrage der Temponahme mit einer Entscheidung für die oftmals tollkühn erscheinenden
Metronomangaben Beethovens zu beantworten – mit der großen Besetzung des Gewandhausorchesters. Nach dreißig Jahren Auseinandersetzung mit den Symphonien sei er zu der Auffassung gelangt, den Zyklus gleichsam als Großwerk in 36 Sätzen zu betrachten, so der Leipziger Chefdirigent. Und in seiner Lesart erweisen sich die
Originaltempi als essenziell für die richtige strukturelle Balance der Gesamtkonzeption.
Maßstäbe setzende EinspielungChaillys Risikobereitschaft zahlte sich aus. Sein
Beethoven-Zyklus bleibt dem Klang des Gewandhausorchesters treu und verwirklicht den Willen des kompromisslosen Komponisten mit staunenswerter klanglicher Transparenz und Ausgewogenheit zwischen den Instrumentengruppen. Das Echo der Kritiker fiel weithin positiv aus. So urteilte etwa die Zeit: “Die spieltechnische Leistung des Orchesters ist phänomenal und nötigt zu höchstem Respekt”, und The Times lobte die “ideale Synthese aus italienischer Leidenschaft und deutscher Präzision”.
Die in einer 5-CD-Box veröffentlichte Gesamteinspielung war in kürzester Zeit vergriffen und stieg in Italien sogar in die Popcharts ein. Jetzt legt
Decca nach, der Zyklus erscheint in fünf
Einzelveröffentlichungen. Jede CD enthält zwei Symphonien und ein ausführliches Begleitheft. Beethovens Neunte kommt zusammen mit der Ouvertüre “König Stephan”, op. 117 und der Ouvertüre zur Namensfeier, op. 115.