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Musik als Weltanschauung – Daniel Barenboim spielt Beethovens Klavierkonzerte

Daniel Barenboim am Klavier
© Felix Broede / DG
15.08.2012
“Einige meinen, sie stehe für Napoleon, für andere drückt sich in ihr ein philosophisches Ringen aus. Für mich bleibt es ein Allegro con brio.” Mit dieser Äußerung über die “Eroica” hat sich der legendäre Arturo Toscanini gegen eine weltanschauliche Lesart der Werke Ludwig van Beethovens ausgesprochen. Ganz entschieden bezieht jedoch Daniel Barenboim Standpunkt gegen die nüchterne Auffassung seines historischen Dirigentenkollegen. Beethovens musikalisches Erbe, so Barenboim, sei zutiefst moralisch. Der Meister habe verstanden und in seiner Musik gezeigt, dass ein Element nur durch seinen Widerpart zur vollen Entfaltung gebracht werden kann, seien dies nun Mann und Frau oder Gegensätze wie heroisch und lyrisch, wie sie typisch für Beethovens Themenwahl sind. “Wir bedürfen des Anderen, um uns selbst vollends zu verwirklichen. Für Beethoven ist die Sonatenhauptsatzform eine Lektion des Lebens”, erklärte Barenboim unlängst in einem Meisterkurs.

Privatkonzert für Papst Benedikt XVI.

Mit scheinbar grenzenlosen Energiereserven und geradezu missionarischem Eifer betreibt der weltweit gefeierte Dirigent und Pianist im Jahr seines 70. Geburtstags eine regelrechte Beethoven-Offensive, um die humanistische Botschaft des Komponisten in die Welt zu tragen. So verwundert es nicht, dass der Heilige Vater persönlich Barenboim und das von ihm geleitete West-Eastern Divan Orchestra unlängst für ein Privatkonzert nach Castel Gandolfo bat. Ergriffenheit und Stolz auf sein für gegenseitige Toleranz im Nahostkonflikt werbendes Orchester standen dem Dirigenten ins Gesicht geschrieben, während er sich unter dem Applaus von Papst Benedikt XVI. und Würdenträgern aus Kirche und Politik im Anschluss an die Darbietung der 5. und 6. Symphonie verneigte. “Ein musikpolitisches Ereignis erster Ordnung, wurde hier doch der Utopie einer israelisch-palästinensischen Verständigung, der sich Barenboim in bewundernswerter Weise widmet, neue Schubkraft gegeben”, jubelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung. ­­­

Klavierkonzerte sind essenzieller Beethoven

Begleitet von der CD-Veröffentlichung der Neun Symphonien Beethovens kam die zweijährige Welttournee des West-Eastern Orchestra mit einem gefeierten Konzert bei den Salzburger Festspielen am 2. August zum Ende. Und schon geht das große “Beethoven für alle”-Projekt unter der Ägide Daniel Barenboims in die nächste Runde: Decca präsentiert eine Liveaufnahme der fünf Klavierkonzerte Beethovens, eingespielt beim Klavier-Festival Ruhr 2007 vom zugleich als Klaviersolist und Dirigent agierenden Maestro und der Staatskapelle Berlin. Barenboim zählt zu den führenden Interpreten der Beethovenschen Klavierkonzerte, hat er sie erstmals doch schon 1967 unter Otto Klemperer mit dem Philharmonia Orchester gespielt und bereits zweimal vollständig aufgenommen: als Dirigent des London Philharmonic Orchestra mit Klavierlegende Arthur Rubinstein am Flügel und mit den Berliner Philharmonikern, das Orchester, mit dem er das 1. Klavierkonzert und die 7. Symphonie Beethovens anlässlich des Berliner Mauerfalls im Jahr 1989 aufführte. Beethovens Klavierkonzerte, davon ist Barenboim überzeugt, haben nichts von ihrer lebensverändernden Kraft eingebüßt – als Teil seines “Beethoven für alle”-Projekts sind sie daher essenziell.
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