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Mitreißend – Daniel Barenboim interpretiert Bruckners Sinfonien

Daniel Barenboim
© Paul Schirnhofer / DG
04.01.2017
Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin, das ist eine musikalische Liaison, die es in sich hat. Kontinuität ist ein seltenes Gut in modernen Zeiten, und der umtriebige, nie müde werdende Meisterdirigent ist dem Orchester schon seit 1992 treu. Die Musiker haben ihn zum Chefdirigenten auf Lebenszeit gewählt. Sie wollten unbedingt mit ihm zusammenarbeiten. Das Vertrauen ist groß, und daraus hat sich im Laufe der zurückliegenden Jahrzehnte eine künstlerische Symbiose entwickelt, die Fachpresse und Publikum gleichermaßen in Bann schlägt.
“Längst können sie seine Gedanken lesen. Fühlen, was er denkt, bevor er zu Ende gedacht hat”, so Eleonore Büning in der Frankfurter Allgemeinen. Sie verstehen einander blind. Sie hören einander zu. “Und wer einander so fokussiert zuhören kann; wer so verspielt und zugleich selbstbewusst im Fremden, anderen aufgeht, der strahlt, wie könnte es anders sein, nichts als Glück ab.” So ist das mit der Staatskapelle Berlin, und das erklärt, warum sich Daniel Barenboim mit diesem Orchester seinen intimsten musikalischen Leidenschaften hingibt.

Magische Anziehungskraft: Barenboim und Bruckner

Dazu gehören auch Wiederholungen. Daniel Barenboim hat die Sinfonien von Anton Bruckner bereits zweimal komplett aufgenommen, bevor er sie nun mit der Staatskapelle Berlin ein drittes Mal einspielte. Warum tut er das? Hat er Bruckner nicht zur Genüge interpretiert? Mitnichten. Das Orchesterwerk des österreichischen Einzelgängers hört nicht auf, ihn zu faszinieren. Da ist etwas Geheimnisvolles drin, etwas Unerklärliches, und das scheint magische Anziehungskraft auf den Grandseigneur der internationalen Klassikszene auszuüben.
Aus Barenboims Perspektive umspannt Bruckners Klangkunst drei Jahrhunderte. Seine Harmonik ist modern, an Wagner geschult, seine Formen haben oft ein barockes Gepräge und die mystische Stimmung seiner Musik führt tief ins Mittelalter zurück. Dass Barenboim der Berliner Staatskapelle zutraut, diesen ebenso archaischen wie modernen Brocken zu bergen, ist das schönste Lob, das er seinem Orchester machen kann. Und welch ein Coup ist ihm mit dem soeben erschienenen Zyklus sämtlicher Bruckner-Sinfonien gelungen!

Nie nachlassende Spannung: Die Staatskapelle Berlin

Die Staatskapelle Berlin stiftet eine hochexplosive, in ihrer Spannung nie nachlassende Atmosphäre. Haftet Bruckners Sinfonien in anderen Interpretationen oft eine drückende Schwere an, so zeigt Barenboim mit seiner neuen Einspielung, dass man den österreichischen Komponisten auch dynamisch verstehen kann. Die Tempi sind in diesem Zyklus oft schneller als in den legendären Bruckner-Zyklen, die der unermüdliche Maestro mit den Berliner Philharmonikern und dem Chicago Symphony Orchestra aufgenommen hat. Funktioniert das?
Und wie! Durch die heftigen Dynamiken kommt die archaische Urgewalt in Bruckners Sinfonien so richtig zur Geltung. Es brodelt, es bebt. Es wird nie langweilig, und das Beeindruckende daran ist, dass der ausgewogene, überaus transparente Klang der Staatskapelle Berlin nicht auf der Strecke bleibt. So macht Bruckner Spaß. So tritt seine betörend schöne, moderne Harmonik ebenso zum Vorschein, wie sich seine Urkraft Ausdruck verschafft. Zur Lebhaftigkeit tragen sicher auch die Live-Mitschnitte bei.
Die ersten drei Sinfonien sind in Wien aufgenommen worden, die Sinfonien 4–9 in Berlin. Und Barenboim geht jetzt wieder auf Tour! Wenn er in diesem Januar in Paris, Berlin, Wien und New York aufgetreten sein wird, dann wird er wieder sämtliche Bruckner-Sinfonien zur Aufführung gebracht haben. Jenseits dieser Auftritte bleibt den Hörerinnen und Hörern aber die jetzt erschienene Edition mit Barenboims Bruckner-Zyklus. Die Ausgabe umfasst insgesamt 9 CDs. Ihr beigefügt ist ein 36-seitiges Booklet, das sich äußerst unterhaltsam und informativ liest.         
Vom 5. bis 7. Januar ist Daniel Barenboim mit der Staatskapelle Berlin live aus der Philharmonie de Paris mit Anton Bruckners Sinfonien Nr. 1 bis 3 im Stream auf www.staatskapelle-berlin.de zu erleben. Die erste Übertragung startet am 05.01.2016 um 20.30 Uhr. Nicht verpassen!
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