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Seele oder Genauigkeit?: Alfred Brendel

14.02.2001
Wer hätte das bei einem pianistischen Großmeister wie Alfred Brendel überhaupt für möglich gehalten? Er legt mit seiner neuesten Veröffentlichung zwei Mozartsonaten vor, die er bisher noch nicht eingespielt hatte: KV 330 und KV 570.
Natürlich weiß man, dass Brendel die Wiener Klassik auf ganz unnachahmliche Weise spielt. Und natürlich freut man sich, wenn im Rondo KV 511, dem Eröffnungsstück der CD, das bekannte “Sandmännchen-Motiv” erklingt. Doch Brendel, der große Könner, vermag noch viel mehr: Er zaubert Ruhe und Ausgeglichenheit aus dem vertrauten Musikverlauf, er spielt Mozart mit dieser so schwer zu erreichenden Einfachheit. Über sein 50. Jubiläum als Konzertpianist ist er längst hinaus. Sein Gesicht aber verrät, was die Ohren dann voller Genuss wahrnehmen. Hier ist einer an Jahren älter geworden, aber so schalkhaft und jeden äußerlichen Effekt verschmähend die Augen hinter der dicken Brille durchgucken, so vermittelt er auch seine Musik.
 
Und wenn er gewichten soll zwischen Seele und Genauigkeit, dann antwortet der ausgefuchste Pianist mit einem Verweis auf Musils Roman “Der Mann ohne Eigenschaften”: “Da gibt es das Generalsekretariat für Genauigkeit und Seele. Und genau das ist es: beides. Wobei Genauigkeit bitte nicht zu verstehen ist als Pedanterie und Seele nicht als Sentimentalität.” Alfred Brendel ist eben “der Mann der vielen Eigenschaften”.
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