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Mozart perfekt

08.07.2005
Um Mozart spielen zu können, sollte man nicht nur ein profunder Kenner Bachs sein, sondern sich vor allem ausführlich mit dem Thema Tempo auseinandersetzen. Denn wird er zu schnell gespielt, neigt er zum tändelnd Unernsten, setzt man ihn zu langsam an, weist man ihm eine Bedeutung zu, die sich Beethovenscher Schwere nähert. Spielt man ihn aber im richtigen Tempo, dann entwickelt sich genau dieses Wechselspiel von Intensität und Leichtigkeit, das aus seiner Musik etwas Numinoses macht.
Mozart hat Alfred Brendel sein Leben lang begleitet, auch wenn er sich mit anderen Werkkomplexen etwa von Beethoven oder Schubert einen Namen machte. Für den Pianisten aus Graz war es immer wieder ein Herausforderung, sich mit den eigenwilligen Tiefen in der Musik seines Landsmannes zu beschäftigen. Schon die Kombination mit der Academy of St Martin in the Fields unter Neville Marriner, die über die siebziger und frühen achtziger Jahre hinweg zu der neben Clara Haskil maßgeblichen Einspielung der kompletten Klavierkonzerte von Mozart führte, bewies ein außerordentliches Feingefühl Brendels für die Ausarbeitung der Spannungen, die in den Werken verborgen liegen. Noch größer aber wurden die Neuaufnahmen der Mozart-Klaviersonaten, die er in den späten Neunzigern begann. Bereits die sensationell lakonische und zugleich konzentrierte Interpretation der Sonate K332 fiel durch ihrer Souveränität im rhythmischen Umgang und der dynamischen Feindifferenzierung auf, mit der Brendel sich an eine der bekanntesten Melodien des Mozartschen Klavierwerkes wagte. Hier kam die Erfahrung eines gesamten Künstlerlebens zum Tragen, die in traumwandlerischer Sicherheit die wesentlichen Nuancen und Akzentuierungen herausarbeitete, die das häufig als zu leicht befundene Stück als Meisterwerk der melodischen Kreativität erstrahlen ließen.

 
Im vergangenen Sommer nun setzte Brendel die Neueinspielung der Mozartsonaten fort. Seine Auswahl war wieder eigenwillig, denn sie kombinierte vergleichsweise früh entstandene Werke wie die Sonaten K281 und K282 mit der letzten Sonate, die der Komponist ausführte und der eigenständigen Fantasia K396, die in ihrer latenten Monumentalität aus dem Kontext der Leichtigkeit ausschert. Und wieder gelingt es Brendel, genau das Tempo zu finden, das die Kompositionen im idealen Interpretationsgewand präsentiert. Allein das unbeschwert im Dreiertakt schwingende Allegro der Sonate K576 bereits, in dem er das Tanzhafte zwingend mit Bachscher Flüssigkeit verbindet, ist ein Höhepunkt der Darstellung. Darüber hinaus aber hält er diese Ambivalenz auch im Adagio und vor allem im Allegretto durch, so dass aus dem von der Forschung gerne einer leichten Stimmung zugeschriebenen Werk ein erstaunliches künstlerisches Statement zu Mozarts Beschäftigung mit Bach werden lässt, bei dem sich die Genies der musikalischen Gedankenwelten überschneiden. Darüber hinaus haben die Techniker der Philips, die die Aufnahmen im Wiener Jugendstiltheater im Mehrkanalverfahren festgehalten haben, sich selbst übertroffen. Präsenter und klarer, brillanter und präziser war Brendel noch nie zu hören als auf dieser auf SACD mit Mozarts Klaviersonaten.
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